Geschichte der Saarländischen Zupfmusik von Edwin Mertes 

1. Die Gründung des BZVS = Bund für Zupf- und Volksmusik Saar e.V.

Als sich nach dem Kriege die Zahl der Zupf-, Zither- und Wandervereine langsam aber ständig vermehrte und die Vereins- und Verbandsbestrebungen im Lande in Aufschwung kamen, war es verständlich, daß einige Vereine den Wunsch äußerten, sich zu einem Bund zusammenzuschließen. Und so kam es, daß 21 Vereine am 10. Oktober 1953 ihre Delegierten zu einer vorbereitenden Gründungsversammlung nach Ludweiler/Warndt entsandten.
Peter Mühlberger, (vom Mandolinenclub „Edelweiß“ Ludweiler) der Initiator dieser Versammlung, begründete Sinn, Zweck und Nutzen dieses Unterfangens und forderte (im Lokal Kurt Lawall, Ludweiler) die Delegierten zur Gründung einer Dachorganisation auf. Diese erste Delegiertentagung in Ludweiler wählte einen vorläufigen Vorstand, formulierte eine Bundessatzung, empfahl als Namen für den neuen Verband: Bund Saarländischer Mandolinen- und Wandervereine und bereitete die offizielle Bundesgründung vor.

Es wurde festgelegt, zum 15. November des gleichen Jahres in Bliesen, die offizielle Gründungsversammlung des „Bundes“ einzuberufen.
Diese fand dann, wie beschlossen – verbunden mit einem „Tag der Hausmusik und des Volksliedes“ am 15./16.November 1953 – in Bliesen statt.

Protektor dieser Veranstaltung war Josef Reichert von Radio Saarbrücken.
Von 65 eingeladenen Vereinen waren 25 durch ihre Delegierten in Bliesen vertreten.

Die Versammlung entschied sich für den Bundesnamen: „Bund zur Pflege und Förderung der Zupf- und Volksmusik“, (um auch die zahlreichen Zithervereine integrieren zu können.) Die Vorstandswahl bestätigte den „provisorischen“ Gründungsvorstand von Ludweiler:

1. Vorsitzender: Peter Mühlberger, Ludweiler
2. Vorsitzender: Fritz Lessel, Mettlach
1. Geschäftsführer: Josef Schuh, Bliesen
2. Geschäftsführer: Rudi Gillen, Bliesen
1. Bundesmusikleiter: Hans Schmitt, Klarenthal
2. Bundesmusikleiter: Karl-Heinz Weinand, Mettlach
Bundesjugendpfleger: Friedel Albert, Köllerbach
Bundesschatzmeister: Richard Müller, Völklingen
Bundeswerbeleiterin: A. Müller, Bliesen

(Der gewählte Vorstand nahm seine Arbeit bis zur nächsten Bundesgeneralversammlung, die am 31.10.1954 in Saarbrücken stattfand, auf. Dort wurde für den zurückgetretenen Peter Mühlberger Lehrer Josef Greif aus Püttlingen zum 1. Vorsitzenden gewählt. Bei der Wahl der übrigen Vorstandsmitglieder gab es keine Veränderungen.)

(Am 27.11.1955 kam es in der Jahresgeneralversammlung in Völklingen zur Umbenennung in „Bund für Zupf- und Volksmusik Saar = BZVS. 1958 wurde eine neue Bundessatzung verabschiedet und der Bund ins Vereinsregister des Amtsgerichtes Saarbrücken als e.V. eingetragen)

Anschließend fand die feierliche Proklamierung des neuen Bundes statt. Die einzelnen Delegierten der saarländischen Vereine gaben mit einem Handschlag über das Banner ihre Zustimmung zu dem Bund.

Am 30./31 Juli 1954 fand in Oberthal das erste Bundesmusikfest des BZVS statt.
Die Initiative dazu kam von Josef Schuh, Bliesen, der auch erfolgreich die gesamte Organisation übernahm.

Beim gemeinsamen Festkonzert wurde eine Komposition von Hans Schmitt: „Gruß von der Saar“ zum Bundesmarsch erhoben und von etwa 200 Mitwirkenden aus den Reihen der angereisten Vereine unter der Leitung des Komponisten auf der Zeltbühne dargebracht.

Im Anschluß an dieses Bundesmusikfest fand in der Jugendherberge zu Tholey vom 01.08. bis 07.08.54 ein einwöchiger Lehrgang („Dirigentenlehrgang“) unter Leitung von Konrad Wölki statt.

Bundesmusikleiter Hans Schmitt nahm als „Schüler“ an diesem ersten Lehrgang teil und hatte die organisatorische Lehrgangsleitung inne.

Das öffentliche Abschlußkonzert wurde vom Radio Saarbrücken aufgenommen und gesendet (Redaktion: Josef Reichert, Leo Clambour, Abteilung: Volks- und Kirchenmusik!)

Gespielt und aufgenommen wurden: „Kleine Stücke für junge Mandolinen- und Gitarrenspieler“ und andere Spielmusiken von K. Wölki, so z.B.: „Ein Schüssel und ein Häfele ist all mein Kochgeschirr“; das Sopransolo sang eine Lehrgangsteilnehmerin aus Reimsbach: Edith Querbach-Werding

(1977/78 haben Leo Clambour, Edwin Mertes und Hans Schmitt versucht, diese alten Aufnahmen aus dem Rundfunkarchiv zu erhalten, um das 25-jährige Jubiläum des BZVS vorzubereiten, aber das Material gab es nicht mehr. Die alten „Mono“-Aufnahmen sind wahrscheinlich alle gelöscht/vernichtet, denn seit 1966 gab es nur noch Stereoaufnahmen)

2. Der Wiederaufbau der Vereine in den frühen Nachkriegsjahren

Um den Mikrokosmos der Mandolinenvereine und die Gründung des BZVS einigermaßen zu verstehen, muß man die politische und kulturelle saarländische Großwetterlage der ersten Nachkriegsjahre ein wenig in die Betrachtung mit einbeziehen.

In der frühen Nachkriegszeit begann überall dort, wo noch oder schon wieder – Musikanten und Instrumente verfügbar waren – etwa ab 1946 – ein reges Musizieren, und man versuchte an die Traditionen der Vorkriegszeit anzuknüpfen. Es herrschte eine große Freude am Musizieren, am Tanzen, Wandern, Singen, an fröhlicher Geselligkeit. Nach 6 Jahren Krieg herrschte ein ungeheures Nachholbedürfnis vor an Lebensfreude und kreativer Entfaltung !

Aber das Saarland, damals noch „Saargebiet„, stand in der frühen Nachkriegszeit unter französischer Besatzung und den Bestimmungen des Alliierten Kontrollrates.

Im Dezember 1947 wurde die erste neue Regierung – unter Johannes Hoffmann – gebildet und zum 01.01.1948 die französische Militärregierung durch ein Hochkommissariat für das Saarland abgelöst. Gouverneur Gilbert Grandval, der französische Hohe Kommissar, hatte seinen Dienstsitz auf Schloß Halberg.

Es gab einschränkende Erlasse und Vereins- und Versammlungsverbote.

Aber allmählich wurde die Bildung von Turn- und Sportvereinen und von musischen Vereinen aller Art – mit gewissen Einschränkungen, Formalitäten und Auflagen – wieder möglich. Die Gesang-, Musik- oder Theatervereine hatten zum Beispiel die Auflage, bei ihrer Gründung oder der Wiederaufnahme ihrer Aktivitäten sich in „Kulturgemeinden„, die alle Sparten der Kultur in den einzelnen Ortschaften erfaßten, zusammenzuschließen. Alle Vereinsaktivitäten, Programme, Aufführungen, Vorstandspersonalien, Sitzungen und ähnliches mußten schriftlich gemeldet werden.

Der erste saarländische Minister für Kultus, Unterricht und Volksbildung, Emil Straus, eine überaus musikbegeisterte Persönlichkeit bemühte sich ab 1948 das gesamte Musikleben und insbesondere die Volksmusikkultur ideell und materiell zu fördern. Aber zunächst unterlag das Musikvereinswesen der strengen Überwachung des Besatzungsregimes, weil in vorausgegangenen Zeiten das volkstümliche Lied oft politisch mißbraucht wurde.

Die politischen bzw. juristischen Grundlagen zum Vereinswesen fanden sich in einer Verordnung vom 12.12.1946 zur „Wiederherstellung des Vereinsrechts im französischen Besatzungsgebiet“ und in den Richtlinien vom 16.04.1947 über die „Organisation von Kultur- und Kunstvereinen“.
Eine bedeutsame Wende brachte das „Saarländische Vereinsgesetz“ vom 13.04.1950. Es ließ zu, daß sich Vereine und Musiziergruppen wieder in ihrer früheren Form und mit ihrem früheren Namen bilden konnten. Am 08.10.1950 hatte das Kultusministerium eine Tagung durchgeführt, auf der 46 Kulturgemeinden vertreten waren. Es wurde eine „Arbeitsgemeinschaft der saarländischen Kulturgemeinden“ gegründet als „Interessenvertretung aller kulturell tätigen Kreise des Saarlandes“ und eine Geschäftsstelle eingerichtet, deren Leitung der Völklinger Lehrer Leo Griebler übernahm.

Ab Dezember 1950 wurde – mit Subvention des Kultusministeriums – ein Publikationsorgan/ eine Monatszeitschrift – Die Kulturgemeinde – aufgelegt, (1958 eingestellt ) dessen Chefredakteur und Herausgeber Erwin August Decker war, der auch viele Jahre als Beisitzer im Vorstand des BZVS tätig war. In dieser Kulturzeitschrift wurden die Vereine im Lande zu Zusammenschlüssen aufgefordert und motiviert. Für die Bildung eines Verbandes sprachen unter anderem die materiellen Schwierigkeiten der Vereine – als Folge des Krieges -, deren Arbeit aber auch durch die Steuergesetzgebung der Saarregierung und die Regelungen zur Abgabe der GEMA-Gebühren wesentlich erschwert war. Es wurden aber auch den Dachorganisationen und den angegliederten Vereinen vom Kultusministerium Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln in Aussicht gestellt.

Beispielhaft für die Gründung/Neugründung von Dachverbänden, bzw. Bünden sollen hier vier große Verbände mit den Gründungsdaten genannt werden:
Dirigentenkursus 1954 in Tholey

Gründung des Volksbühnenbundes am 06.Okt. 1951 in Völklingen

Unter den Verbandsgründern und dem Gründungsvorstand finden sich Anton Wartner, Völklingen und Erwin August Decker, St. Ingbert, die beide auch viele Jahre im Vorstand des BZVS tätig waren, Wartner als 2.Vorsitzender und Decker als Beisitzer, bzw. Pressewart, (sowie Leo Griebler)

Neugründung des Saarsängerbundes SSB am 17. Mai 1953 in Saarbrücken

In dieser Gründungsversammlung im Johannishof in Saarbrücken sprach Kultusminister Dr. Singer als Protektor der Veranstaltung Grußworte. Die Offerten des Kultusministers waren:
– Finanzielle Unterstützungen zur Bundesgründung und zur künftigen Geschäftsführung
– Öffentliche Mittel für Chorleiter-Lehrgänge
– Die Schaffung des Staatlichen -Büchereiamtes als Beratungsstelle und Notenarchiv
– Zuschüsse zur Notenbeschaffung
In den ersten Gesamtvorstand wurde Professor Dr. Josef Müller-Blattau als Bundesvorsitzender gewählt. Prof. Müller-Blattau war Musikwissenschaftler und Direktor des neu gegründeten Staatlichen Konservatoriums, aus dem später die Staatliche Hochschule für Musik hervorging.
(Auch hier finden wir unter den Initiatoren und Gründungsvätern Erwin August Decker, als Vorsitzenden des Sängerkreises St. Ingbert.)

Gründung des Bundes für Zupf- und Volksmusik Saar = BZVS am 15.November 1953 in Bliesen

Die Gründung des Bundes saarländischer Musikvereine = BSM erfolgte am 09. Januar 1955, also erst relativ spät und auf Initiative des Saarsängerbundes.

Literatur / Quellen

1) Edwin Mertes: Persönliche Erinnerungen.
Der Autor war 1954 als Lehrgangsteilnehmer in Tholey, war Dozent vieler Rehlinger Lehrgänge, wirkte über 20 Jahre im SZO – auch bei unzähligen Rundfunkaufnahmen – mit, engagierte sich als Vorstandsmitglied des BZVS und war als langjähriger Freund und Weggefährte von Leo Clambour an vielen Aktivitäten beteiligt.
2) Anton Wartner und Leo Clambour: „Chroniken“ (Manuskripte)
3) Bungert und Lehnert: „Vereine im Saarland„, in Lehnert-Verlag Saarbrücken, (1988)
>> S. 170ff „Die Kulturverbände formieren sich“
4) Dülmen und Klimmt (Hg.) „Saarländische Geschichte“ ein Anthologie, Röhrig-Verlag, St. Ingbert
(1995) (Saarland-Bibliothek Band 10)
>> S. 337ff Karl August Schleiden: Aus provinzieller Enge zur Weltoffenheit.
Kulturelle Entwicklung 1815-1957
5) E.A. Decker (Hg.) „Die Kulturgemeinde„, Jahrgänge 1952 / 56
6) Web-Sites: www.saarland.de
www.Amateurtheater-saar.de
www.saarlaendischer-chorverband.de
www.sr-online.de
www.bzvs.de
u.a.m.